Die erste Lesung
Es ist 18:30 Uhr, die ersten Gäste kommen viel zu früh, und ich frage mich “Warum tu ich mir das an?” Mir ist flau, mein Herz pocht in der Kehle und meine komplette Moderations-Dramaturgie wirbelt ungehalten durch meinen Kopf. Ich sehe bekannte, vertraute und fremde Gesichter, spüre ein Schulterklopfen hier und eine Umarmung dort. Ich höre: “Das wird gut!”. ... Und es ward gut! :)
Eine Lesung: ist kein Bewerbungsgespräch und keine Präsentation
Julia Zahnweh, Inhaberin der Buchhandlung “Isarbuch”, schnappt sich das Mikro und stimmt das Publikum (und mich) auf das ein, was gerade ist: Ein lauer Juliabend, ein lauschiger Platz, ein tolles Setting für eine Lesung Open Air. Alle Plätze sind besetzt, ca. 30 Augenpaare sind auf Julia und Julia gerichtet. Sie stellt mein Buch “Dieser eine Ort” kurz vor und übergibt dann an mich. Ich begrüße das Publikum - und lese …
Und merke, wie es fließt. Die Wörter, die Sätze, die Figuren - alles wird lebendig vor meinen Augen. Ich habe Spaß daran, den Menschen vor mir an dem teilhaben zu lassen, was ich selbst über zwei Jahre erlebt und erarbeitet habe: Emre, Ella, Krüger und ihre Geschichten am See. Ich plaudere zwischen den Texten ein wenig, wie es zu den jeweiligen Geschichten kam, warum die Namen wichtig sind oder wie mir der Titel eingefallen ist.
Ich vergesse zu trinken und muss unterbrechen, weil meine Kehle trocken wird. Weiter geht es. Am Ende bitte ich meinen Mann neben mir Platz zu nehmen - ein kleiner, geplanter Überraschungseffekt, denn wir beide lesen den letzten Text im Wechsel. Die Geschichte wurde im Wechsel geschrieben, so wird sie auch im Wechsel gelesen. Das kam gut an. Es ist sowieso eine humorvolle Geschichte, mit der ich die Lesung beenden wollte. Will sagen: Die Dramaturgie hat funktioniert, auch wenn ich kaum auf meine Zettel schauen musste. Es war alles da, in mir.
Eine Lesung: Über das sprechen, was man am liebsten tut
Das Publikum lächelt und lacht, gibt Applaus und am Ende stellen einige der Anwesenden Fragen. Julia moderiert neben mir und ich merke, wie die Anspannung sich verdrückt. Ich genieße es tatsächlich, auf der Autorenbank zu sitzen, vor dem großen Schaufenster voller Bücher, mein Signiertisch mit einem Stapel “Dieser eine Ort” neben mir. Ich genieße es, Fragen zu beantworten, davon zu erzählen, was tief in mir verankert ist.
Anders als bei Bewerbungsgesprächen oder Präsentationen oder ähnlichen Situationen, habe ich keine Angst mehr, dass mir nichts einfällt und ich nicht weiß, was ich (richtig) sagen sollte. Das hier ist anders. Das hier ist so viel besser! 🙂
Am Ende gibt es wieder Applaus, viele kommen auf mich zu, gratulieren mir, loben meinen Stil, danken für den schönen Abend, kaufen mein Buch und wollen eine Widmung. Ein bisschen Superstar-Feeling hier auf dem Platz.
Alles in allem hat die Lesung eine gute Stunde gedauert, die offene Runde noch einmal fünfzehn Minuten, der Ausklang eine Stunde - Prosecco und Quiche inklusive.
Warum habe ich mir die ganze Aufregung also angetan? Probelesen auf Zeit, Anmoderationen formulieren, Flyer verteilen, noch einmal Probelesen, Moderation über den Haufen schmeißen, Ablauf absprechen, neue Moderationslinie finden, ein Tag vorher, eine Stunde vorher Nervosität, nicht wissen, wer kommt, welche Fragen gestellt werden …? Darum: es lohnt sich!
Fazit: Warum lohnt sich eine Lesung für dich?
- Weil dein Buch die Bühne verdient hat
- Eine Lesung ist auch Marketing und Öffentlichkeit im lokalen / regionalen Rahmen, insbesondere, wenn sie vorab in den Medien erwähnt wird (eigener Post)
- Auch sie erzeugt digitale und analoge Reichweite, insbesondere lokale: durch Werbung, Berichterstattung und Weitersagen
- Weil deine Arbeit auch durch Applaus, weitere Buchverkäufe und anschließende Empfehlungen honoriert wird
- Weil du dich sichtbar machst und als Autor/in auftreten kannst
Und warum nicht? Reden wir offen: Die erste Lesung war in allen Punkten eine Bereicherung, außer für mein Portemonaie. Ein Grund, warum manche von Lesungen abraten. Ein Punkt, den man von Fall zu Fall betrachten und entsprechend verhandeln sollte (anderes Thema an anderer Stelle!)
Für mich gilt: Ich habe nicht ganz umsonst gelesen. Ich habe mich erfüllt gefühlt, als ich durch den lauen Sommerabend nach Hause gegangen bin und mit Freunden und Familie den Abend Revue passieren lassen konnte.
Danken möchte ich:
- Julia und ihrem netten Team von der Buchhandlung "Isarbuch" - ein wunderschöner Buchladen & Café. Kauft Bücher und probiert den Kuchen dort!
- Isabella Winkler und Annika fürs Kommen und für die tollen Fotos, wie immer schon ;)
- Petra Häfner für unsere erste Live-Begegnung, die mentale, physische und digitale Begleitung vorher, nachher und währenddessen
- weiteren lieben Menschen fürs Dabeisein und unterstützen: Oliver, Mom, Kai, Alexa, Nadine und allen, die mindestens in Gedanken da waren :)