juliwellen
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Mein Roman entsteht - Schreibwelle 1: Die Rohfassung

Ich bin eine langsame Schreiberin. (Ich meine damit nicht meine Tastenanschläge :))

2018 war ich mir sicher, dass ich einen Familienroman schreiben würde. Ich habe dafür extra ein Autorenstudium begonnen, mit der festen Absicht, am Ende ein zumindest grobes Manuskript in den Händen zu halten. Ha!

Dazwischen kam dann: Das Leben an sich. Und eine andere Idee. “Dieser eine Ort” hat sich dazwischengeschoben. Drei Jahre später ist es veröffentlicht worden (knapp 170 Seiten ein kleines Buch). Immerhin habe ich immer mal wieder an meine “Familie” gedacht, an die Geschwister, an die Jugendliebe, an Namen und Konstruktionen. Eine Kladde davon ist voll geworden mit Notizen, Scribbels, Satzfetzen. Ich habe es zweimal bis Seite 90 geschafft. Jedes Mal steckten die Figuren fest. Sie waren handlungsunfähig.

Ich bin eine Drauflosschreiberin. Eigentlich. Bisher.

Für meine Kurzgeschichten klappt das auch prima: eine Szene, ein erster Satz, eine gewisse Reifezeit. Im Flow ausgearbeitet. Der Text steht und wird dann bis zu 10 Mal überarbeitet, an Wörtern gefeilt, Dialoge gestrichen, das Ende umgeschrieben. Ich schiebe mich durch die Seiten und habe stets den Überblick. Dann die zweite Erkenntnis: DAS reicht bei einer Größenordnung der Gattung Roman aber nicht. 

Rohfassung schreiben: Ein Wechsel auf Flow, Pausieren und Planen

Meine Schreibphase oder Welle Nummer 1: Bis zur Rohfassung
Die Umgebung mal ganz grob aufgezeichnet :)

Ich musste nach den ersten Schreibergüssen in die Planungsphase wechseln und plotten. Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, Figurentagebücher zu schreiben, ihre Lebensläufe zu skizzieren. Ich habe sogar eine Bleistiftskizze der Umgebung aufgemalt, Straßennamen notiert, einen Zeitstrahl auf DINA 2 Blätter gezeichnet.

Warum sind die Figuren handlungsunfähig?
  • ist der Konflikt stark genug?
  • ist das Setting das Richtige? Die Umgebung, die Nebenfiguren?

Nein und Nein. Beim Entstehen meiner 3. Rohfassung 2023 habe ich Namen geändert, habe die Geschwisterrollen getauscht (es gibt jetzt einen älteren Bruder, eine Figur, die ich in einer Kurzgeschichte entwickelt habe und mir auf einmal genau richtig erschien), ich habe die Familie vom Wald in eine Neubausiedlung gepackt, wo auf einmal mehr passieren konnte. Nebenfiguren passen jetzt besser, der Konflikt hat mehrere Stränge und Tiefen und hält sich bereits über 300 Normseiten. 

Der Wechsel in die Plott- oder Planungsphase hat mir geholfen, wieder ins Schreiben zu kommen. Stunden um Stunden habe ich danach mit meinem Tablet Zuhause, im Garten oder an meinem Lieblingssee gesessen und meine Romanwelt entstehen lassen. Und mit meinen Figuren verhandelt!

Ich habe meinen gottgleichen Schöpferstatus aufgeben müssen

Je detailreicher ich die Welt für meine Figuren ausgearbeitet habe, desto selbstständiger haben sie sich darin bewegt. Es gab Momente, in denen musste ich weder planen noch schreiben, nur innehalten.

Dialoge und Szenen sind entstanden, indem ich meinen Figuren gefolgt bin. Sie wollten eine andere Frisur, über Ausgang eines Streitgesprächs entscheiden, sogar das Ende möchten sie anders gestalten. Gut, über diesen Punkt sind wir uns noch nicht einig. :)

Auch habe ich beim Schreiben der Rohfassung keinen Anspruch an Perfektion oder ausgefeilte Sätze o.ä. mehr. Den habe ich aufgegeben, um schlichtweg “die Seiten voll zu kriegen”. Material zu bekommen, an dem ich mich in den Überarbeitungsrunden austoben kann. 

Es soll eine gute Geschichte werden und dafür lasse ich mir Zeit

Ich fasse zusammen: ich habe für über 300 Seiten mehrere Jahre gebraucht. Bis die Idee saß, bis der Plot stand, bis die Figurenkonstellation funktionierte, Zeitebenen, Altersfragen, Zeitsprünge, Entwicklungen, Handlungen, Kapitel … Denn diesen Anspruch habe ich weiterhin: Es soll eine gute Geschichte werden mit Figuren, die tief gehen (round, not flat) und hängenbleiben sollen. Es soll sich stimmig anfühlen, richtig und gut. Dafür lasse ich mir Zeit, denn (noch) sitzt mir keine Deadline im Nacken. Nur mein Wunsch, in diesem Jahr ein Manuskript endlich dann doch in den Händen zu halten.

Wie geht es weiter? Mit Schreibwelle Nummer 2: Die Prämisse

Ich werde dazu einen eigenen Beitrag schreiben. Ich kann nur jetzt schon sagen: Für Planer steht sie meist am Anfang als Teil der Planung eben. Sie kann eine gute Orientierung geben. Für Drauflosschreiber wie mich reicht es, die Prämisse an dieser Stelle zu entwickeln. Natürlich sollte das Thema bereits klar sein, die Grundidee, der zentrale Konflikt für die Reise der Hauptfigur(en). Sonst schlingert die Rohfassung. Spätestens jetzt aber werde ich mein Material überprüfen und das geht anhand der Prämisse. Für mich wird sie jetzt mein Leitstern bei den Überarbeitungen. 

Hast du schon einen - oder sogar mehrere Romane geschrieben? 

Wie lange hast du dafür gebraucht? Welche Phasen hast du durchwandert?

Für alle, die davor stehen oder wie ich, gerade mittendrin stecken: auch wenn sich in manchen Momenten alles “festgefahren” oder “unmöglich” anfühlt, bleib dran. Das Wiederanfangen ist so viel schwerer. Ob Phasenwechsel, Pausen, Skribbeln, irgendeine Szene schreiben, egal, wann, wo, warum - Hauptsache nahe an all dem bleiben, das schon bereits entstanden ist. Soweit nach Welle Nummer 1.